Endlich mal ein richtiger Berg!

Soll ich oder soll ich nicht, schaff ich das und wozu überhaupt? Dies und anderes drehte in meinem Kopf Runden, bevor wir entschlossen den zweithöchsten Zentralamerikaner zu erkraxeln. Ein Bericht über die Wanderung auf unseren ersten 4000er: den Vulkan Tacaná…

Wie so oft im Leben ging es dann viel einfacher, als gedacht. Der Tacaná ist zwar etwas über 4000 Meter hoch und ein Vulkan. Aber es führen gut gepflegte Wanderwege auf den Gipfel. Und wir mussten auch keine glühendheissen Lavaströme durchqueren. Zum letzten Mal war der Tacaná 1986 ein klein wenig aktiv.

Eine Schweiz mehr

Startpunkt war Unión Juárez auf 1500 Metern über Meer. Ein kleines Bergdörfchen am Fuss des Vulkans. Einige reiche Tapachulaner haben hier oben ihre Wochenendhäuser im Chaletstil gebaut um der Hitze zu entfliehen. Die Region nennt sich chiapanekische Schweiz und wir haben uns dort zuhause gefühlt. Das lag aber mehr an unserer Gastgeberin, der energiesprühenden Doña Morayma. Sie besitzt ein Hotel und ein Restaurant und hat uns in nullkommanichts einen guatemaltekischen Touristenführer organisiert. Das Paket war sozusagen all-inclusive.

Ohne Pass über die Grenze

Eine fünf Meter breite Schneise verläuft schnurgerade den ganzen Berg hinauf. Man könnte meinen es handle sich um einen Skilift oder eine Gondelbahn. Es ist jedoch die Grenze zwischen Mexiko und Guatemala. Doña Morayma versicherte uns aber, dass sie am Berg noch nie einen Grenzpolizisten gesehen habe. So wanderten wir ohne Papiere los.

Immer dem Abfall nach

Um den Weg zu finden braucht man anfangs Januar eigentlich keinen Führer. Denn über die Festtage besteigen tausende Mexikaner und Guatemalteken den Berg. Die Naturfreunde hinterlassen leider eine nicht enden wollende Abfallspur, welche die lokale Bevölkerung zweimal im Jahr mühsam wieder aufsammelt.
Das Wandern mit einem Führer war trotzdem entspannter und vor allem sehr interessant. Edgar wusste vieles zu erzählen und war sehr interessiert, mehr über die Schweiz zu erfahren. Am ersten Tag wanderten wir sechs Stunden durch wunderschöne Wälder. Etwas benommen von all den betörenden Düften erreichten wir auf 3700 Metern über Meer eine Hochebene mit einem Unterstand für Kühe. Dort errichteten wir unser Bett aus Piniennadeln und sammelten Feuerholz.

Wald soweit das Auge reicht
Wald so weit das Auge reicht

Und es hat doch Polizisten auf 4000 MüM

Da wir bereits früh am Nachmittag in unserem Nachtlager angekommen waren, konnten wir noch die Umgegung erkunden und später den schönen Sonnenuntergang geniessen. Dank unseren warmen Schlafsäcken und dem Feuer war die Übernachtung auf dieser Höhe auch nicht allzu kalt. Bis spät in die Nacht trafen noch andere Gruppen an unserem Lagerfeuer ein. Einige davon mit eher rudimentärer Wandererfahrung und ohne jegliche Ausrüstung. Sprich nur mit einer dünnen Trainerjacke bekleidet und ohne Essen… Zum Glück hatten wir genügend Lebensmittel dabei, damit wir etwas abgeben konnten. Den Schlafsack teilten wir dann aber nicht auch noch mit ihnen!
Und dann hockten da plötzlich auch noch zwei guatemaltekische Polizisten am Feuer. Mit Schusswaffen und voller Ausrüstung. Ops, hätten wir wohl doch die Pässe mitnehmen sollen? Es stellt sich jedoch heraus, dass sie nicht wegen möglichen Migranten hier oben waren. Einer unserer Campinggenossen war ein guatemaltekischer Politiker mit seinen Söhnen. Er wollte auch auf dem Vulkan beschützt werden.

Lagerfeuer
Lagerfeuer

Schlussspurt

Am zweiten Tag war es dann nicht mehr weit. Und unser halbjähriges „Höhentraining“ in San Cristóbal hatte wohl doch etwas gebracht. Denn der Aufstieg auf den Gipfel war gar nicht so streng und wir konnten am frühen Morgen unsere Blicke in die Ferne schweifen lassen. Ganz Chiapas lag uns zu Füssen, der Pazifik liess sich erahnen, die Sonne ging genau hinter dem grossen Bruder des Tacaná auf, dem noch etwas höheren Vulkan Tajumulco. Traumhaft die Aussicht, es hat sich gelohnt und wir haben es geschafft…

Aussicht vom Gipfel des Vulkans
Aussicht vom Gipfel des Tacaná Richtung Guatemala und Vulkan Tajumulco

…zumindest die Hälfte. Denn das Happige am ganzen Ausflug war eigentlich vor allem, wieder runter zu kommen. Unión Juárez wollte und wollte nicht näher kommen. Dieser Abstieg bescherte uns dann auch den Muskelkater der nächsten paar Tage.

Was bleibt?

Nebst dem Muskelkater? Die Erinnerung an ein tolles Erlebnis. Die Achtung vor der lokalen Bevölkerung, die täglich die Hänge des Tacaná rauf- und runterlaufen. Oft mit Plastiksandalen an den Füssen und wahnsinnigen Lasten auf den Schultern. Brennholz müssen sie von weither zu ihren Hütten schleppen. Und jede Coca Cola tragan sie stundenlang rauf, um es trinken zu können (was sie nicht davon abhält, viel davon zu trinken).
Was bleibt ist auch die Erinnerung an die Pflanzenvielfalt an diesem Berg. Bis fast zuoberst läuft man durch den duftenden Wald und kann sich kaum sattsehen und -riechen an der Vegetation.
Was bleibt ist auch der Ärger über das Verhalten vieler Wanderer die hinter sich eine Abfallstrasse zurücklassen. Und was auch bleibt, ist ein klein wenig Stolz, dass wir nun auch mal auf einem Viertausender waren. Nun können wir unseren Bergfreunden in der Schweiz auch mal etwas erzählen ;-).

"la prueba" das Gipfelfoto
“la prueba” das Gipfelfoto

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